Quellen:
- google earth
- https://de.wikipedia.org/wiki/Revolutionen_1848/1849
- https://de.wikipedia.org/wiki/Pocken
Die Reise unserer Familie durch die Zeit
Paul Janssen Leis wurde am 29. März 1803 auf Langeoog geboren und war 54 Jahre alt, als er im Jahr 1857 polizeilich gesucht wurde. Im Hannoverschen Polizeiblatt der Königlichen Polizei-Direction in Hannover vom 25. Juli 1857, findet man seinen Steckbrief.
Paul kam als viertes von sieben Kindern seiner Eltern Johann Adam Leuß und Anne Hedwig Pauls auf Langeoog zur Welt.
Sein Vater war Schiffer und Maire der Insel Langeoog.
Etwa 15 Jahre lang arbeitete Paul, wie er selber schrieb, als Matrose, Steuermann und Setzschiffer
(Kapitän ohne eigenes Schiff / Angestellter einer Rederei).
Im Alter von 33 Jahren war er Schiffer auf Langeoog und heiratete die Weber- und Schiffertochter Aaltje Fastenau in Esens.
Das Ehepaar lebte in Esens, wo seine Frau im Alter von 46 Jahre in Folge einen "Krebsschadens" verstarb.
Kinder aus dieser ersten Ehe sind nicht bekannt.
Nur ein halbes Jahr später, im Alter von 41 Jahren heiratete Paul erneut, die erst 23-jährige Alste Margaretha Janssen aus Holtgast bei Esens. Mit ihr bekam er 6 Kinder, die ungewöhnlicherweise an verschiedenen Orten, rund um die Stadt Esens, in den Jahren 1847 bis 1858 zur Welt kamen: in West-Dunum, Langeoog, Holtgast, Moorweg und in Wagnersfehn/Moorweg. Ist dies durch verschiedene Umzüge der Familie zu erklären? Paul schrieb selber im Jahr 1848, dass er in der Badesaison auf den Inseln beschäftigt ist und sich ansonsten von "Bernstein-Arbeiten" ernähren würde.
Karte Umgebung Esens1
Wahrscheinlich ist ein Kind von Paul Janssen Leuss auch unbekannt, da sein 1858 zur Welt gekommener Sohn Johann Adam, bei seiner Taufe als "7. Kind, 4. Knabe" beschrieben wurde. Ein Sohn verstarb schon im Alter von 7 Tagen, ein Kind unbekannten Geschlechts, starb am Tag der Geburt und von der Tochter Elisabeth kennen wir nur das Taufdatum. Tochter Assa heiratete später und zog nach Alfeld, während Sohn Johann in die Niederlande auswanderte und dort als "Hausierer" starb.Im Jahr 1848, Paul war 45 Jahre alt, schrieb er einen Brief an den König. Dieser wurde im Niedersächsischen Landesarchiv in Hannover aufbewahrt.
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NLA HA, Hann. 40, Nr. 5 zu einem "Projekt des Paul Janßen Leis in Holtgast zu einer Kriegsdampfmaschine".
Allerdurchlauchtigster,
großmächtigster König und Herr !!!Ich, der allerunterthänigst untergeschriebene
Paul Janssen Leis, erlaube mir, Ew. kö-
niglicher Majestät folgendes ehrerbietigst
vorzutragen, und dessen Berücksichtigung
allerunterthänigst anheim zu geben.
Ich bin auf der Insel Langoog, Amts
Esens, gebürtig, ein Sohn des weil. dortig-
gen Schiffs-Capitains Johann Adam
Leis, 45 Jahre alt, in der Stadt Esens
confirmirt, und Bürger daselbst, jezt
aber zu Holtgast, im Kirchspiel Esens
wohnhaft.
Früher habe ich etwa 15 Jahre in verschie-
denen Eigenschaften, als Matrose, Steuer-
mann und Setzschiffer zur See gefahren
ernähre mich aber seit einigen Jah-
ren von (Bernstein?)-Arbeiten, und bin
des Sommers während der Badezeit
auf den Inseln beschäftigt.
Bei letzterer Gelegenheit brachte ich in
Erfahrung, daß die Grönlands-Fahrer
häufig von den Dänischen Seeschiffe
gebombardirt, die Mannschaft wegge-
jagt, und die Schiffe, als Beute mit
nach Copenhagen genommen wurden.
Dies erregt bei mir einen großen Un-
willen, und habe ich ein Mittel ersonnen,
um die Dänischen Schiffe auf eine sehr
leichte und zweckmäßige Art aus der
Nordsee zu vertreiben.
Es wird nemlich ein fieken (?) Dampfschiff
oder Schrauben-Maschiner erbauet
werden müßen, durch welches keine
Kugel wird durchdringen, und auf wel-
ches auch kein Mensch wird erschossen
werden können; dasselbe wird vorn und
hinten mit eisernen Ableitern zu Abwen-
dung der Grundschüße, und das Ueber-
winden von Seiten der dänischen Schiffe,
so wie vorn und hinten mit 4 Stück schwe-
ren Geschütz versehen werden müßen.
Der Gebrauch einer solchen Maschine, wird
bei gehöriger Anwendung ein günstiges
Resultat liefern, und bin ich gerne be-
reit, den Plan und die Bauart eines
solchen Schiffes ausführlich anzugeben,
auch dasselbe persönlich als Krieger
mitzubekleiden.
Möchten Ew. königl. Majestät gnädigst geruhen,
auf dieses Project zu reflectiren, und
es etwa meine persönliche Gegenwart
daselbst bedürfen, so bin ich jederzeit
erbötig, mich zu solchen Zweck unge-
säumt einzufinden, den ich wohl schon
sonst Ew. königlichen Majestät mündlich zu er-
klären mich entschloßen haben würde, und
es mir in meine unvermöglichen Lage
nicht an dem nöthigen Reisegeld erman-
gelt hätte.
Ich beharre übrigens mit den allertiefsten
Respecte
Ew. Königlichen Majestät
Allerunterthänigster Diener
Paul Janssen Leis
Paul hatte sich im Oktober 1848 hingesetzt, um den Brief zu verfassen.
Es war ein Jahr, in dem sich in vielen Regionen Europas die sozialen,
wirtschaftlichen und politischen Spannungen gewaltsam entluden.2
Missernten und die letzte große Hungersnot in Europa in den Jahre 1845 bis 1847 führte zu Tumulten
und einer gewaltig ansteigenden Auswanderungswelle.
"Eure königliche Majestät" war zu diesem Zeitpunkt Friedrich Wilhelm IV von Preussen.
Bei Flensburg begann am 9. April 1848 der Schleswigscher Krieg.
Schleswig-Holsteinischen Truppen kämpften darin gegen die dänische Armee.
Wahrscheinlich stehen die Beobachtungen, die Paul Jassen Leis gemacht hat, damit in einem Zusammenhang.
Eine Antwort des Königs auf sein Schreiben ist nicht bekannt.
54 Jahre war Paul alt, als er im Jahr 1857 polizeilich und steckbrieflich gesucht wurde.
Im Hannoverschen Polizeiblatt der Königlichen Polizei-Direction in Hannover vom 25. Juli 1857,
findet man seinen Steckbrief, der auch eine Peronenbeschreibung enthält.
Demnach sah Paul Leiß wie folgt aus: Alter zwischen 50 und 60 Jahr,
Größe ziemlich groß, Statur schlank, hager, Haare dunkel, Bart dunkel,
Gesicht mager, Gesichtsfarbe blaß.
Besondere Zeichen: a. Blatternarben im Gesicht; b. schlottriger Gang.
Aus dieser Beschreibung können wir entnehmen, dass Paul Leiß eine Pockeninfektion überlebt hat. Ab dem 18. Jahrhundert häuften sich die Pockenfälle und lösten die Pest als schlimmste Krankheit ab. Nach Schätzungen starben jedes Jahr 400.000 Menschen an Pocken, und ein Drittel der Überlebenden erblindete.3 Eiterbläschen hinterließen am gesamten Körper deutlich erkennbare Narben. Vielleicht hatte auch der auffällige Gang seine Ursache in der Infektion, den bei schweren Verläufen kam es neben der Erblindung auch zu Gehörlosigkeit, Lähmungen, Hirnschäden sowie Lungenentzündungen.
Polizeiblatt Seite 1
Paul Leiß wurde schon dreimal in seinem Leben wegen desselben Vergehens, der "Quacksalberei" verurteilt: vom Amtsgericht in Friedeburg im Juni 1857 zu 3 Wochen Gefängnis, in Stickhausen am 29. September 1856 zu einer 15-tägigen Gefängnisstrafe und im April des Jahres in Wittmund zu einer Geldstrafe.Die Beweggründe für sein Handeln sind unbekannt, ob es aus Not oder Überzeugung geschah bleibt unklar.
Zog er von Markt zu Markt mit seiner "Heilkunst"? Erklärt dies, die verschiedenen Gerichtsstandorte?
Zeigten ihn enttäuschten Patienten an?
In seinem 1848 geschriebenen Brief an den König schreibt Paul, dass er sich seit einigen Jahren von Bernstein-Arbeiten ernährt.
Vielleicht gehörten Bernstein-Talismane oder Bernsteinpulver zu seiner Arznei und Heilkunst?
Fragen, die wir wohl nicht mehr klären können. Auf jeden Fall entzog er sich dem Haftantritt (3 Wochen Gefängnis), zu dem er am 6. Juni 1857 in Friedeburg verurteilt worden war.
Schließlich wurde er gefasst und zur Haft gebracht, wie im Hannoverschen Polizeiblatt der Königlichen Polizei-Direction in Hannover vom 30. Oktober 1857 vermerkt ist.
Polizeiblatt Seite 2
Nur zwei Jahre später, im Alter von 56 Jahren, verstarb Paul Leuss am 16. September 1859 in Folstenhausen an einer Krankheit, die als "Faulfieber" bezeichnet wurde und wahrscheinlich auf Typhus hinweist. In seiner Sterbeurkunde wurde er erneut als Schiffer bezeichnet. Über das Sterbedatum seiner Frau Alste ist nichts bekannt.
➸ Direkt zu Paul Janssen Leis im Stammbaum
Quellen:
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