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Stammbaum der Familie Leiß

Die Reise unserer Familie durch die Zeit

Tiarck Christopher Leuss (1737 - ?)

Schmuggel auf Langeoog

Tiarck Christopher Leuss, der auch den Namen Tjark Otten nach seinem Vater trug, wurde am 10.1.1737 in Bensersiel geboren. Seine Eltern, Otto Gerdes Leuss und Ikke Catharina Müller, zogen 1746 mit ihm und seinen vier Geschwistern nach Langeoog, wo sein Vater das Amt des Inselvogtes übernahm. Mit 9 Jahren endete sehr wahrscheinlich seine Schulzeit aufgrund dieses Umzugs - sein Vater setzte sich später für die Bildung auf Langeoog ein.
Er war 21 Jahre alt, als er am 8. Dezember 1758, die Baltrumer Schiffertochter Anke Janssen in Esens heiratete. „Tjarck Christoffer Leus, des Otto Gerdes Leuss, Voigts auf Langeoog, Sohn, mit Ancke Janssen, des weyl. Joh. Janssen, Schiffers auf Baltrum Tochter“.
Das Paar bekam 1759 auf Langeoog eine Tochter: Antje Tjarks Leuß. Nur 6 Tage nach der Geburt starb Anke Janssen und wurde auf Baltrum beigesetzt. Die Tochter überlebte und war später mit Hinrich Lüken verheiratet.

Tiarck verbrachte anscheinend einige Zeit auf dem Festland, wo er als Schiffer in Westeraccumersiel tätig war. In einem Sielort herrschte mit der hohen Bevölkerungsdichte fast ein städtisches Treiben und der Sielort hatte einige Vorteile: als Handelsmann war Tiarck leichter erreichbar und näher an den Kunden, er hatte jedoch auch die Kosten für Deich- und Sielacht zu tragen. Auf Langeoog musste das Schiff auf den Strand gezogen werden, in einem Sielhafen konnte man am Kai anlegen, gerade bei größeren Schiffen und beim Ein- und Ausladen ein unschlagbarer Vorteil, aber auch der musste bezahlt werden.
Am 5. Mai 1761 heiratete er erneut, diesmal Elisabeth Martens (* 1734), eine Schustertochter aus Westeraccumersiel. Sie bekamen in Westeraccumersiel folgende Kinder:

  • Antje Leuss (1762 - ?), wohl nach seiner ersten Frau benannt
  • Johann Marthin Tiarcks Leus (1764 - ?), Kapitän
  • Otto Hinrich Leuss (1767 - ?)
  • Frauke Catharina Tjarks Leuss (1770 - 1836)
  • Johann Adam Leuß (1775 - 1811), Maire und Schiffer
  • Seine zweite Frau Elisabeth starb sicher vor dem 23. März 1802, da Tjark zu diesem Zeitpunkt seine dritte Ehe mit Avke Eilerts auf Baltrum einging: „Tjark Otto Leuss Wittwer und Strandvogd auf Langoog, 64, mit Afke Eilers, des Eilert Peters, Schiffers auf Baltrum jüngste Tochter, 58, cop. Ende März auf Baltrum“.

    Leben als Strandvogt



    Tjark lebte als Strandvogt auf Langeoog und übernahm die Nachfolge seines Vaters, der im Jahr 1777 verstorben sein soll.
    1794 prägten 57 Personen verteilt auf 14 Familien in 11 Häusern und 20 Kinder unter zehn Jahren das Inselleben. Langeoog hatte weder eine Schule noch eine Kirche, und die Armut der Bewohner machte es unmöglich, die Kinder anderswo zur Schule zu schicken. Vogt Leuss beantragt eine „Schulanstalt“ auf Langeoog, um den Kindern eine Chance auf eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Die Langeooger Jugend wüchse auf „wie das wilde Vieh und bliebe in Rücksicht der Schulwissenschaften eine Ausnahme aller Menschen“. Bis 16 Schulfähige und 12 Minderjährige wurden gezählt. Man sei bereit, wechselweise wöchentlich dem Lehrer Kost und auch Wohnung zu geben, zu mehr sei die Gemeinde außerstande. Jedoch verschlechterte sich die Situation auf Langeoog so sehr, dass man in dieser Notlage die Bedingungen nicht mehr erfüllen konnte. Es kam regelmäßig vor, dass die Flut „Frucht und Anpflanzungen“ zerstörte oder das zum Trocknen liegende Heu für das Vieh wegspülte. Der Vogt war angewiesen eine Winterbevorratung zu prüfen, jedoch besaßen die Ärmsten kein Geld, um für diese zu Sorgen und wie es in einem Brief heißt: „Die Wenigen, die noch was haben, müssen unsere Armen versorgen!".1
    Jedoch gab man nicht auf und versuchte den Langeooger Schiffer Paul Harken nach einer Prüfung als Lehrer anzustellen. Aber seine Qualifikationen waren unzureichend: „Dieses Subjekt ist in allen nötigen Kenntnissen so über alle Beschreibung schwach erfunden“. Paul Harken übernahm diese Aufgabe daraufhin privat und unterrichtete die Kinder von Michaelis bis Ostern für wöchentlich drei Stüber und alle morgen einen Torf. Schon 1796 gab er auf, da sich die Eltern ohne schulpflichtige Kinder nicht an den Kosten beteiligen wollten. Ihm folgte noch ein weiterer Privatlehrer und schließlich im Jahr 1818 ein anerkannter Nebenschullehrer, der einen Raum in seinem Haus für Schul- und Kirchenzwecke nutzte und später für einen Schulneubau sorgte.2

    Scheinbar versuchte Tjark sein kleines Gehalt weiter aufzubessern. Aus dem Jahr 1794 gibt es im Niedersächsischen Landesarchiv in Aurich ein Dokument über „Der dem Vogt Tjark Otten Leus auf Langeoog gestattete Kramhandel“ und weiterhin ein Gesuch von 1804 des Tjark O. Leuss auf Langeoog zur „Verbesserung seines Diensteinkommens“.

    Charte von dem Fürstenthum Ostfriesland, Langeoog

    Ausschnitt der Charte von dem Fürstenthum Ostfriesland, veröffentlicht in Nürnberg 1790.3


    Ihr Leben bestritten die Bewohner durch Fisch- und Walfang. Der Walfang endete jedoch um 1780, als ein Seekrieg zwischen den Niederlanden und Großbritannien jegliche Schifffahrt unterband.
    Eine weitere Einnahmequelle bot der Verkauf von Muschelschill. Das waren Muschelschalen, die Meeresströmung und Brandung an der Insel ablagerten. Früher wurden sie für die Herstellung von Kalk abgebaut.4 Dabei musste man mit dem Boot an die Muschelbänke fahren und bei Ebbe im Wasser stehend Muscheln schöpfen und spülen.5

    In einem Bericht vom Oktober 1810 teilte Tjark Otten Leiß, in seiner Funktion als Inselvogt mit, dass es auf der Insel 16 Haushaltungen mit insgesamt 78 Einwohnern gebe und man folgenden Jahresbedarf habe:


    TonnenScheffel
    Rocken584(für jeden Kopf 1/2 Scheffel im Monat)
    Weitzen--
    Gersten18-(Schweine-Mästung)
    Haber48-(für Pferde und Gänse)
    Bohnen3-
    Erbsen3
    Erd Aepfel36
    Weitzen Mehl1832 Pfund
    Grütze2808 Pfund
    (Jürgensen, 2005)

    Schmuggel



    Die Zeit, in der Tjark seinen Dienst auf Langeoog tat, war eine ausgesprochen unruhige Zeit. Großbritannien und Frankreich bekämpften sich mehr als 68 Jahre lang und verhängten zahlreiche Handelssperren, die in der Folge heftige Konjunkturschwankungen auslösten. Die Insulaner gerieten 1806 in die Auseinandersetzungen zwischen Frankreich und England mit dem Seehandelsverbot durch die französische Kontinentalsperre.
    Auf Langeoog und anderen ostfriesischen Inseln blühte in dieser Zeit der Schmuggel. Auf dem damals britischen Helgoland war ein Warenstapelplatz eingerichtet worden, von dem hochwertige Kolonialwaren wie Tee und Kaffee über Langeoog zum Festland gebracht wurden.
    Der Schmuggel gehörte nahezu zum täglichen Geschäft, so dass Gustav Schmoller sich vor mehr als hundert Jahren zu der Bemerkung veranlasst sah, dass die Geschichte des Schmuggels im 18. Jahrhundert die eigentliche Geschichte des Handels sei. Der Schmuggel nahm zwischen 1798 und 1815 jedoch eine neue Dimension an, die nicht mit den herkömmlichen Vorstellungen von Schmuggel zu vereinbaren sind, denn es beteiligten sich alle Schichten vom Straßenkehrer bis in die höchsten Regierungskreise.

    „Schmuggel ist meines Erachtens auch nicht die richtige Bezeichnung für das, was sich in dieser Zeit zutrug, es handelte sich vielmehr um einen Wirtschaftskrieg, bei dem die heimliche Überwindung der Handelssperren einerseits von den Regierungen zu einem gewissen Grad unterschwellig unterstützt wurde und andererseits an manchen Orten fast zu einem Volkssport wurde“.6

    „Um den Schmuggel zu unterbinden, stationierte Napoleon bis zu 200 Soldaten auf der Insel. Hierzu errichtete man unweit der Meierei in den Dünen die heute nicht mehr erkennbare Napoleonschanze. Die Stationierung der Soldaten hinderte die Langeooger jedoch nicht am Schmuggel, kannten sie ihr Watt mit Ebbe und Flut doch wesentlich besser als die Franzosen. In der Folge der gescheiterten Russlandfeldzüge wurde Langeoog 1813 wieder preußisch. Der Frieden zwischen den Siegermächten entzog dem Schmuggel die Grundlage“.7

    Die Legende besagt, dass Tjark ein Kapitän war, der die Kontinentalsperre umging und dadurch reich wurde. Tjark Otten Leuss muss so viel Geld verdient haben, dass er für 180 Reichstaler ein Haus bauen konnte. Die Hebamme Tätje Pauls, auch „Tätjetant“ genannt, lebte später in diesem Haus. Heute steht an dieser Stelle das Hotel „Upstalsboom“.
    Vielleicht hat nicht nur der Schmuggel zu diesem „Reichtum“ geführt. Als Vogt hatte er seinen „Kramhandel“ und das Recht auf „freien Ausschank“. Wir wissen, dass die zweite “Krugwirtschaft“ der Insel auf dem Ostende stark von den Soldaten profitierte, die auf der Insel waren, um den Schmuggel zu unterbinden (11 französische Kanonenboote, mit 200 Mann Besatzung).
    Man erzählte, dass Fässchen mit Geld und ganze Kaffeeladungen in den Dünen vergraben worden seien, die später nicht wiedergefunden wurden.8
    Herbert Leiß, der später ebenfalls in dem von Tjark erbauten Haus lebte, berichtet in seinen „Erinnerungen“ in der Familienchronik der Familie Leiß folgende Geschichte:

    „Bei Tjark Otten Leuß muss es sich wohl um den Kapitän gehandelt haben, der die vom Kaiser Napoleon verhängte Kontinentalsperre missachtete, auf gut deutsch „schmuggelte“ und damit sehr viel Geld verdiente. Er soll einmal gesagt haben, dass alle seine Kinder, Enkel, Ur- und Ur-urenkel nicht mehr arbeiten bräuchten. Leider kam es anders, als er es sich gedacht hatte.
    Die Franzosen, die ihn schon lange verdächtigten, hatten ihn bei einem Aufenthalt in Bensersiel erkannt. Eine wilde Verfolgungsjagd begann. Es blieb ihm keine andere Möglichkeit als zu versuchen, sein Schiff, das draußen auf tiefem Wasser vor Anker lag, schwimmend zu erreichen. Der durch das schnelle Laufen überhitzte Körper hat dann die plötzliche Abkühlung durch das sehr kalte Wasser wohl nicht verkraftet. Die Folge war eine schwere Erkältung oder gar Lungenentzündung, wovon er sich nicht mehr erholte.
    Auf dem Sterbebett wollte er seinen Angehörigen noch mitteilen, wo er all sein Geld eingegraben hatte, denn eine andere Möglichkeit der Aufbewahrung hatte er ja nicht. Aber er konnte nur noch leise hauchen: „Dor achter unner“ („Dort hinten unter…“).

    Eine Schatzsuche war und ist jetzt wohl aussichtslos, denn ein paar sehr arme Leute waren plötzlich sehr reich geworden und hatten sich mehrere große Häuser bauen können. Dazu gehörte vor allem die Hebamme Tätje Pauls. Dieser letzte, mühsam hervorgebrachte Spruch von „Dor achter unner“ ist sicher noch vielen, alten Langeoogern bekannt.“9
    Diese Geschichte inspirierte auch die Autorin Klara G. Minis (+) die in ihrem Buch Badezeiten (Kassel, 2009), die die Geschichte zu einem Krimi verarbeitete.9 Tjarks Leben und die Erzählungen darüber fanden so ihren Platz in der Literatur und im Gedächtnis der Insel Langeoog.

    Direkt zu Tiarck Christopher Leuss im Stammbaum

    Quellen:

    1. Hoffrogge, 1990, S. 30
    2. Tongers, 1975, S. 122-123
    3. https://sammlung.koerber-einbeck.de/
    4. Wikipedia Langeoog, 2023
    5. Tongers, 1975, S. 45
    6. Voss, S. 63
    7. Wikipedia Langeoog, 2023
    8. Tongers, 1975, S. 102
    9. Jürgensen, 2005
    10. Fokken, 2023

     

     



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